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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 14.01.2008
Aktenzeichen: 6 B 2009/07
Rechtsgebiete: VwGO
Vorschriften:
VwGO § 80 Abs. 5 | |
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6 |
2. Wegen des Charakters des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens kommt es für den dort grundsätzlich anzulegenden Maßstab der summarischen Prüfung nicht darauf an, ob dem zur Entscheidung berufenen Gericht bereits im Eilverfahren sämtliche Erkenntnisquellen zur Verfügung stehen, die es auch im Hauptsacheverfahren wird ausschöpfen können.
Tatbestand:
Die Antragstellerin ist Professorin an einer nordrhein-westfälischen Hochschule. Auf der Grundlage des Hochschulfreiheitsgesetzes verfügte Letztere die Übernahme der Antragstellerin, die bisher im Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen gestanden hatte, in den Dienst der Hochschule und ordnete die sofortige Vollziehung der Verfügung an. Der Antrag der Antragstellerin, die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Übernahmeverfügung mangels hinreichender Begründung aufzuheben beziehungsweise die aufschiebende Wirkung des von ihr gegen diese Übernahmeverfügung eingelegten Widerspruchs wiederherzustellen, blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg.
Gründe:
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, führen nicht zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung, mit der das VG es abgelehnt hat, die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Übernahmeverfügung der Antragsgegnerin vom 4.1.2007 aufzuheben beziehungsweise die aufschiebende Wirkung des von der Antragstellerin gegen diese Übernahmeverfügung eingelegten Widerspruchs wiederherzustellen.
Der Senat hat mit den den Beteiligten bekannten Beschlüssen vom 27.9.2007 in den Verfahren 6 B 714/07 und 6 B 715/07 ausgeführt, dass sich im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes nicht abschließend beurteilen lasse, ob die Übernahme der an den Hochschulen eingesetzten unmittelbaren Landesbeamten durch die Hochschulen als neue Dienstherren im Hauptsacheverfahren Bestand haben werde. Dem hat sich das VG für den vorliegenden Fall angeschlossen und die nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Interessenabwägung unabhängig von den Erfolgsaussichten des gegen die Übernahmeverfügung eingelegten Widerspruchs vorgenommen. Das ist nicht zu beanstanden.
In der Rechtsprechung des BVerfG ist hinreichend geklärt, welche Anforderungen sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG für den vorläufigen Rechtsschutz ergeben. Danach beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Sofortvollzuges einer behördlichen Maßnahme regelmäßig auf die Durchführung einer Interessenabwägung, wenn sich die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme bei summarischer Überprüfung nicht hinreichend übersehen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.2.2002 - 1 BvR 300/02 -, NJW 2002, 2225).
Der summarische Charakter des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens folgt aus dem Wesen vorläufiger Rechtsschutzgewährung und steht grundsätzlich mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht in Widerspruch (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.5.2004 - 2 BvR 821/04 -, NJW 2004, 2297).
Wegen des Charakters des Eilverfahrens kommt es für den dort anzulegenden Prüfungsmaßstab nicht darauf an, ob eine hinreichend zuverlässige Prognose über den Ausgang des Hauptsacheverfahrens möglich wäre, weil dem zur Entscheidung berufenen Gericht bereits im Eilverfahren sämtliche Erkenntnisquellen zur Verfügung stehen, die es auch im Hauptsacheverfahren wird ausschöpfen können. Es bleibt auch in einem solchen Fall grundsätzlich bei der summarischen Prüfung (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 25.7.1996 - 1 BvR 640/96 -, ZBR 1996, 334, und vom 3.1.1986 - 1 BvQ 12/85 -, BVerfGE 71, 350).
Die Auffassung der Beschwerde, dass sich - auch bei summarischer Prüfung - die Erfolgsaussichten des gegen die Übernahmeverfügung eingelegten Widerspruchs ausreichend sicher dahingehend beurteilen ließen, dass die Übernahmeverfügung offensichtlich rechtswidrig und daher aufzuheben sei, trifft nicht zu. Der Senat hat in seinen Beschlüssen vom 27.9.2007 - ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben - verschiedene komplexe Rechtsfragen aufgeworfen, auf deren Beantwortung es aus seiner Sicht für die Lösung des Falles im Hauptsacheverfahren sowohl dort als auch hier möglicherweise ankommen wird und die sich bei summarischer Prüfung weder in der einen noch in der anderen Richtung eindeutig entscheiden lassen. Hinsichtlich dieser Rechtsfragen benennt die Beschwerde keine Gesichtspunkte, die der Senat nicht bereits im Zusammenhang mit den Beschlüssen vom 27.9.2007 bedacht hätte. Soweit die Beschwerde darauf hinweist, dass mit dem durch die Übernahmeverfügung herbeigeführten Dienstherrenwechsel auch ein - nach ihrer Auffassung rechtswidriger - Austausch der für die Antragstellerin zuständigen obersten Dienstbehörde verbunden sei, zeigt dieser Umstand lediglich weitere Rechtsfragen auf, die für die Entscheidung im Hauptsacheverfahren von Bedeutung sein könnten, sich aber bei summarischer Prüfung nicht abschließend beantworten lassen.
Es besteht im vorliegenden Fall auch keine Veranlassung, sich im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren in einer über die summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage hinausgehenden Weise mit der Sache zu befassen.
Ausnahmsweise kann eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage sowie eine umfassende Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen angezeigt sein, wenn Gründe vorgetragen oder offenkundig sind, die eine Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs geboten erscheinen lassen, um den Eintritt schwerer und unzumutbarer, anders nicht abwendbarer Nachteile zu vermeiden (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 25.7.1996 - 1 BvR 640/96 -, a.a.O., und vom 17.5.2004 - 2 BvR 821/04 -, a.a.O.).
Die Beschwerde benennt weder derartige Gründe noch sind solche offenkundig.
Vor diesem Hintergrund begegnet es auch im Ergebnis keinen Bedenken, dass die von den Erfolgsaussichten des gegen die Übernahmeverfügung eingelegten Widerspruchs unabhängige Interessenabwägung des VG zu Lasten der Antragstellerin ausgegangen ist. Bei einer solchen Interessenabwägung sind in erster Linie diejenigen Folgen zu erwägen, die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes für den Bürger verbunden sind. Je schwerer die sich daraus ergebenden Belastungen wiegen und je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie im Falle des Obsiegens in der Hauptsache rückgängig gemacht werden können, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Aussetzung der Vollziehung zurückgestellt werden.
Dass der Wechsel des Dienstherren für die Zeit des Hauptsacheverfahrens mit schwer wiegenden Belastungen für die Antragstellerin verbunden sein wird, die sich zudem mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht oder nur schwer rückgängig machen lassen würden, ist nicht ersichtlich. Auch die Beschwerde trägt nicht vor, woraus sich solche Belastungen ergeben könnten. Mit dem pauschalen Hinweis darauf, dass die Antragstellerin jederzeit mit einer obersten Dienstbehörde "Hochschulrat" konfrontiert werden könne, die den rechtlichen Anforderungen nicht genüge, ist keine auch nur annähernd konkrete schwer wiegende Belastung im vorstehenden Sinne dargetan. Nichts anderes gilt für das Argument, dass die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs den Regelfall darstelle.
Mangels erkennbarer negativer Folgen des Dienstherrenwechsels für die Antragstellerin kommt daher dem regelmäßig zu bejahenden besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung von Organisationsakten im öffentlichen Dienstrecht, die die wirksame Erledigung der laufenden öffentlichen Aufgaben sicherstellen soll, bei der Interessenabwägung im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO das ausschlaggebende Gewicht zu. Dass der Antragsgegnerin zur reibungslosen und verzögerungsfreien Erfüllung der ihr in alleiniger Verantwortung übertragenen Aufgaben gegenüber ihren Bediensteten grundsätzlich auch die Rechte eines Dienstherren unmittelbar zustehen müssen, liegt auf der Hand. Es ist eine Vielzahl von Friktionen denkbar, die bei einem - wenn auch zeitlich begrenzten - teilweisen Verbleib des Universitätspersonals im Dienst des Landes eintreten können. Soweit die Beschwerde meint, der Landesgesetzgeber habe mit dem Hochschulfreiheitsgesetz "Hals über Kopf" eine "wirre rechtliche Lage" selbst geschaffen, fiele dieser Umstand - wenn er denn zuträfe - weder in die Verantwortungssphäre der Antragsgegnerin noch käme ihm im Rahmen der Folgenabwägung eine mehr als nur untergeordnete Bedeutung zu.
Für die mit der Beschwerde nur noch hilfsweise begehrte Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Übernahmeverfügung ist kein Raum. (Wird ausgeführt).
Ende der Entscheidung
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